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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Atamer

FS21 / Schweizerisches und europäisches Vertrags- und Konsumrecht

Allgemeine Informationen zum Seminar

Leitung: 

Prof. Dr. Yeşim M. Atamer, LL.M.

OR a.D. Prof. em. Dr. Alexander Brunner

Anmeldung:

Für das Seminar "Schweizerisches und europäisches Vertrags- und Konsumrecht" sind leider keine Plätze mehr frei. Für den Fall, dass sich wieder Vakanzen ergeben würden, wird dies hier in Zukunft publiziert.

Vorbesprechung und Themenverteilung

Die Vorbesprechung findet am Donnerstag, 8. Oktober 2020, 12.15 - 13.45 Uhr im Raum RAI-F-041 statt. An diesem Tag werden auch die Themen an die Studierenden verteilt. Wir bitten Sie, einige Tage vor der Vorbesprechung 3 Themenwünsche (vgl. Themenliste unten), an den Lehrstuhl zu senden. Die vorgeschlagene Themen sind blosse Arbeitshypothesen; eine Eingrenzung bzw. Auswahl einzelner Fragestellungen ist erforderlich.

Datum / Ort des Seminars

Blockseminar an der Universität Zürich, 15.-16. April 2021

Besuch des Handelsgerichts des Kantons Zürich und Fragestunde zur Gerichtspraxis mit dem Handelsgerichtspräsidenten

Teilnehmende

Studierende der Universität Zürich (BLaw und MLaw). Es werden max. 20 Themen vergeben – für Bachelorstudierende stehen 12 Plätze und für Masterstudierende 8 Plätze zur Verfügung.

Themenbeschreibung

Das Konsumentenrecht hat in den letzten dreissig Jahren wie kaum ein anderes Rechtsgebiet an Bedeutung gewonnen. Mit dem Einsetzen der Globalisierung und der Zunahme der Kaufkraft der Mittelklassen erlangte die Massenproduktion und der damit verbundene Massenkonsum Ausmasse, die man sich so nie vorstellen konnte. Gezielt eingesetzte Vertriebsmethoden unterstützten anhaltenden Absatz. Steigende Komplexität der Produkte führte zu einem starken Informationsgefälle zwischen den Vertragsparteien. Hinzu kamen die neuzeitlichen Forschungsergebnisse im Bereich der Verhaltensökonomik, die zeigten, dass der Homo Oeconomicus als die zentrale Annahme der klassischen Ökonomie so nicht existierte und durch ein Menschenbild zu ersetzen war, dessen Handeln und Denken von Unzulänglichkeiten und Vorurteilen geleitet wurde. Das gezielte Ausnutzen dieser Schwächen bildete die Grundlage der Konsumgesellschaft.

Die im 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts erlassenen Gesetze hingegen gründeten noch auf der Konzeption, dass der Mensch rational handelt und hauptsächlich seinen Eigennutz maximiert. Er macht keine Fehler in der Informationsaufnahme und -verarbeitung. Deswegen wurde er auch mit einer Vertragsfreiheit ausgestattet, welcher nur wenige Grenzen gesetzt waren. Vertragsfreiheit wurde als Hauptgarant der Vertragsgerechtigkeit gesehen und somit die Verantwortung für den Inhalt des Vertrages dem Einzelnen aufgebürdet. Die Realität war ernüchternd: Für grosse Bevölkerungsschichten war die Vertragsgerechtigkeit wegen der unterschiedlichen Verhandlungspositionen der Parteien eine Illusion. Einseitig abgefasste Verträge waren die Regel.

Gesetzgeber überall auf der Welt mussten Wege finden, diesen Missständen entgegenzuwirken. Die Prämisse, dass auf dem Wettbewerbsmarkt Dank der Vertragsfreiheit eine effiziente Allokation knapper Ressourcen ermöglicht wird, solange rationale, voll-informierte und auch ebenbürtige Parteien sich gegenüberstehen, war als Ausgangspunkt immer noch richtig. Doch fehlte auf der Seite der Nachfrage unter bestimmten Bedingungen die „Information“, die „Rationalität“ und auch die „Verhandlungsmacht“. Aufgabe der Gesetzgeber war es somit, diese Situationen festzustellen und dem Marktversagen gezielt entgegenzuwirken.

Bis heute ist und bleibt die Europäische Union die Vorreiterin und wichtigste Akteurin im Bereich der Konsumentenschutzgesetzgebung. Angespornt durch das Ziel, einen funktionierenden Binnenmarkt für die EU zu schaffen, hat sie angefangen, ab Mitte der 80er Jahre ein situationsbezogenes Konsumentenschutzmodell aufzubauen. Eine Gruppe der Schutzmechanismen zielte darauf ab, den Konsumenten durch Informationsvermittlung zu stärken. Durch detaillierte Auskunftspflichten, noch vor Vertragsschluss, bezüglich der Produkte bzw. Dienstleistungen sowie dem konkreten Vertragsinhalt, sollte gewährleistet werden, dass der Konsument bewusstere Entscheidung trifft. Die Kontrolle von Werbeinhalten wirkte einer Irreführung entgegen. Mit dem Einführen einer 14-tägigen Widerrufsfrist wurde Absatzmechanismen entgegengewirkt, die einen unbedachten Vertragsabschluss besonders begünstigten, wie z.B. Haustür- oder Fernabsatzgeschäfte. In anderen Gebieten wurde hingegen direkt in die Vertragsfreiheit eingegriffen und der Vertragsinhalt zwingend vorgegeben. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Regelungen zur Kontrolle von missbräuchlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch im Jahre 1993. Die Richtlinien zum Pauschalreise-, Konsumentenkauf- oder zum Konsumkreditvertrag sind weiter Beispiele für eine direkte Regulierung des Vertragsinhaltes. Eine dritte Gruppe von Regeln diente der prozessrechtlichen Durchsetzung von Konsumentenansprüchen. Alternative Streitbeilegungsmethoden stehen hier besonders im Vordergrund. Neuerdings aber auch die Einführung von Verbandsklagen zum Schutz von Kollektivinteressen der Konsumenten.

Doch sind die Gesetzgeber inzwischen vor wieder neue Herausforderungen gestellt. Die zunehmende Digitalisierung von Vertragsinhalten erfordert ein Überdenken des ganzen Arsenals der Massnahmen zum Konsumentenschutz. Rege diskutiert werden die Handhabung der sharing economy sowie der Plattformbetreiber im effektiven Konsumentenschutz. Noch fundamentaleren Problemen widmen sich die Konzepte zur circular economy, die einen nachhaltigen Konsum auch durch gezielte Gesetzgebung erreichen wollen. Somit scheint das 21. Jahrhundert noch spannende Entwicklungen im Bereich des Konsumentenschutzes zu versprechen.

Der schweizerische Gesetzgeber ist bis heute in manchen Gebieten den Vorgaben des EU-Gesetzgebers freiwillig gefolgt und hat die relevanten Richtlinien im nationalen Recht umgesetzt. Doch erfolgte dies nur sporadisch und der Wille, diese Praxis weiterzuführen, scheint in neuerer Zeit stark abgeschwächt zu sein. Ziel dieses Seminars ist, unter anderem, die unterschiedliche Rechtslage in der Schweiz und der EU zu analysieren und diese Entscheidung des schweizerischen Gesetzgebers zu hinterfragen. An konkreten Verträgen sowie Vertragsabschlusssituationen soll das Schutzinstrumentarium im Privatrecht aufgezeigt und ein allfälliger Gesetzgebungsbedarf festgestellt werden.

Das Seminar soll auch dazu dienen, verschiedene Fragen zur Vertragsgerechtigkeit im Privatrecht aufzuwerfen. Unter anderem, ob es überhaupt die Aufgabe des Vertragsrechts ist, Gerechtigkeit zwischen den Parteien herzustellen. Falls ja, was die Gründe dafür sind. Ob der Schutz der „schwächeren Partei“ ein Ziel an sich ist, oder ob es ein situationsspezifisches Marktversagen ist, welches einen gesetzlichen Eingriff begründet. Welche neuen Erkenntnisse man der Verhaltensökonomik bezüglich der menschlichen Schwächen entnehmen kann. Warum/wann eine der Parteien wirklich schutzbedürftig ist. Welche verschiedenen Methoden angewandt werden können, um die Dichotomie der Vertragsgerechtigkeit und Vertragsfreiheit zu überbrücken. Alles Fragen, deren Antworten oft auch von rechtspolitischen Entscheidungen abhängen.

Referate am Seminar

Vor der gemeinsamen Diskussion werden einführende Referate gehalten. Dauer des Vortrags ca. 20 Minuten (vorzugsweise powerpoint.ppt oder andere vergleichbare Präsentation), anschliessend Themen-Diskussion von ca. 10-15 Minuten.

Fakultative Besprechung der Seminar-Themen

17.12.2020, 13.30 Uhr: fakultative Besprechung der Seminar-Themen nach dem Einlesen.

Der Raum wird später hier bekanntgegeben.

Abgabefrist

25.03.2021: Zugang der Arbeit via Mail als PDF- sowie Word-Datei beim Lehrstuhl Prof. Atamer (lst.atamer@rwi.uzh.ch) und Prof. Brunner (alexander.brunner@uzh.ch).

09.04.2021: Zugang der PP-Präsentationen beim Lehrstuhl Prof. Atamer (lst.atamer@rwi.uzh.ch) und Prof. Brunner (alexander.brunner@uzh.ch).

Leistungsnachweis

Bachelorstudierende: Bachelorarbeit  6 ECTS

Masterstudierende: Masterarbeit 6/12/18 ECTS

 

Es gelten die Richtlinien des Lehrstuhls Atamer.

75% schriftliche Arbeit (bei MLaw mit Master-Vereinbarung)

25% mündlicher Vortrag und Seminar-Beteiligung.