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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Vogt

Christoph Bauer

Parteiwechsel im Vertrag: Vertragsübertragung und Vertragsübergang

Unter besonderer Berücksichtigung des allgemeinen Vertragsrechts und des Fusionsgesetzes

A. Einleitung

Ziel der Arbeit ist es, den Parteiwechsel im Vertrag in konziser Form darzustellen und Lösungsvorschläge für eine einheitliche Behandlung zu entwerfen. Im Sinn eines ersten Schwerpunkts werden hierfür die allgemeinen Regeln der Singularsukzession in eine Vertragsparteistellung herausgearbeitet. Neben der rechtsgeschäftlichen Vertragsübertragung werden vor dem Hintergrund entsprechender Spezialvorschriften des Vertragstypenrechts auch Vertragsparteiwechsel behandelt, die durch Gesetz oder richterliches Urteil ausgelöst werden. Im Rahmen eines zweiten Schwerpunkts wird eine darauf abgestimmte und praktikable Lösung für die Frage nach einem Vertragsübergang bei Universalsukzessionen entworfen. Die Arbeit enthält ferner Hinweise zur Vertragsgestaltung sowie zu rechtsvergleichenden Aspekten.

B. Vertragsübertragung nach allgemeinem Vertragsrecht

Die rechtsgeschäftliche Vertragsübertragung ist ungeschriebenes Institut des allgemeinen Vertragsrechts. Der Vorgang scheint einfach: Eine Vertragspartei soll ausgewechselt werden und der Ver-trag soll danach zwischen den neuen Parteien fortbestehen. Aufgrund der Komplexität und der Wandelbarkeit der Parteistellung stellen sich dabei jedoch eine Fülle von Fragen. Wichtig ist es deshalb, hinsichtlich Konstruktion und Voraussetzungen der Vertragsübertragung sowie hinsichtlich Inhalt und Rechtswirkungen des Übertragungsvertrags eine möglichst konsistente Ordnung zu entwickeln.

Die rechtsgeschäftliche Vertragsübertragung erfordert drei Vertragsbeziehungen: (i) den Vertrag, in dem eine bisherige Partei ausgewechselt werden soll ("Grundvertrag"), (ii) die Verpflichtung zur Vertragsübertragung ("Kausalverhältnis") sowie (iii) den einen Parteiwechsel herbeiführenden Vertrag ("Übertragungsvertrag").

Als Grundsatz gilt, dass Parteistellungen in Schuldverträgen übertragbar sind, falls der betreffende Grundvertrag noch Wirkungen entfaltet. Einschränkungen können sich allerdings aus Gesetz oder Vereinbarung ergeben. Ferner kann ein Grundvertrag derart stark auf die Person der austretenswilligen Partei bezogen sein, dass dies auch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübertragung ausschliesst.

Der Parteiwechsel wird durch den Übertragungsvertrag ausgelöst, der ein einheitliches Rechtsgeschäft zwischen allen Rechtsträgern darstellt, die vor oder nach dem Parteiwechsel Parteien des Grundvertrags sind oder werden. Es handelt sich m.E. um einen Verfügungsvertrag sui generis. Sofern für Verfügungsverträge geeignet, ist der OR AT folglich direkt auf den Übertragungsvertrag anwendbar; die Regeln zu Zession und Schuldübernahme sind dann relevant, wenn sie sich sinngemäss als Ausdruck allgemeiner Rechtsnachfolgeprinzipien übertragen lassen. Subsidiär dazu können die Spezialvorschriften zu Vertragsparteiwechseln nach Vertragstypenrecht analog zu berücksichtigen sein.

Bei Abschluss des Übertragungsvertrags sind die Formvorschriften des Grundvertrags zu beachten; fehlen solche, ist der Übertragungsvertrag somit ebenfalls formfrei gültig. Allen bisherigen und neuen Parteien des Grundvertrags muss Parteistellung im Übertragungsvertrag zukommen; es kann auf keine dieser Willenserklärungen verzichtet werden. Die Willenserklärung kann freilich auch im Voraus oder konkludent abgegeben werden.

Die Gültigkeit des Übertragungsvertrags ist kausal von der Gültigkeit des Kausalverhältnisses abhängig. Die Kausalität des Übertragungsvertrags führt so indirekt auch zu einer Abhängigkeit vom Grundvertrag. Fällt der Übertragungsvertrag dahin, entfallen seine Wirkungen grundsätzlich ex tunc; der Vertragsparteiwechsel wird so behandelt, als habe er nie stattgefunden.

Die Rechtswirkungen der Vertragsübertragung richten sich primär nach dem Übertragungsvertrag und sekundär nach dem Zweck der Vertragsübertragung sowie der Natur des Grundvertrags:

  1. Zwischen der verbleibenden Partei und dem Übernehmer wird der Grundvertrag grundsätzlich identisch weitergeführt. Dieser Grundsatz hat im Einzelnen zahlreiche Folgen und kennt verschiedene Ausnahmen. Insbesondere kann der Vertragsparteiwechsel Auswirkungen auf die Abwicklung des Grundvertrags haben.
  2. Zwischen der austretenden Partei und dem Übernehmer ist eine Haftung aus dem Kausalverhältnis nur dann anzunehmen, wenn die Vertragsübertragung entgeltlich erfolgte. Die Haftungsordnung ist dispositiv und kann im Kausalverhältnis abgeändert werden.
  3. Zwischen der austretenden und der verbleibenden Partei werden die Rechtsbeziehungen aus dem Grundvertrag aufgelöst und die austretende Partei – abweichende Vereinbarung vorbehalten – von ihren Verpflichtungen aus dem Grundvertrag befreit.

C. Vertragsparteiwechsel nach Spezialvorschriften des Vertragstypenrechts

Das Vertragstypenrecht normiert in verschiedenen Spezialvorschriften Tatbestände des Vertragsparteiwechsels: Kodifiziert sind rechtsgeschäftliche (Art. 263, Art. 292 OR, Art. 19 LPG, Art. 17 PauRG) und richterliche (Art. 28b Abs. 3 Ziff. 2, Art. 121 Abs. 1 ZGB) Vertragsübertragungen sowie gesetzliche Vertragsübergänge (Art. 261, Art. 290, Art. 333 OR, Art. 14 f. LPG, Art. 54 VVG). Die dazu bestehende Literatur und Rechtsprechung sind grösstenteils mit der hier entworfenen Ordnung zur rechtsgeschäftlichen Vertragsübertragung im Allgemeinen konsistent.

D. Vertragsparteiwechsel bei Universalsukzessionen

Vertragsparteistellungen stellen Vermögensgegenstände dar und können damit m.E. direkt von den Wirkungen einer Universalsukzession erfasst werden. Dabei stellt sich einzig die Frage, ob der jeweilige Grundvertrag einen Parteiwechsel zulässt.

In allen betrachteten Anwendungsfällen der vollständigen oder partiellen Universalsukzession (Erbgang, Fusion, Spaltung und Vermögensübertragung) lässt die Universalsukzession m.E. grundsätzlich auch Vertragsparteistellungen übergehen. Der Vertragsparteiwechsel kann ohne Zustimmung der verbleibenden Gegenparteien stattfinden; zur Wahrung von deren Interessen sehen die eine Universalsukzession auslösenden Tatbestände spezifische Gläubigerschutzbestimmungen vor. Bei partiellen Universalsukzessionen sind die zu übertragenden Parteistellungen in das Inventar aufzunehmen.

Der Grundsatz des Vertragsübergangs gilt allerdings in allen Anwendungsfällen der Universalsukzession nicht uneingeschränkt. Eine Vereinheitlichung dieser Einschränkungen scheint sinnvoll, um die Rechtssicherheit in dieser stark vom Einzelfall abhängigen Frage zu erhöhen. Die vorliegende Arbeit entwirft eine solche Grundordnung, die mutatis mutandis für die Tatbestände vollständiger und partieller Universalsukzessionen angewendet werden kann.

E. Schlussbetrachtung

Der Parteiwechsel im Vertrag stellt einen sehr variablen und facettenreichen Vorgang dar. Angesichts der vielfältigen Regelungsmöglichkeiten sowie der teilweise bestehenden Unklarheiten ist der Praxis zu empfehlen, sich frühzeitig und fundiert mit der Übertragbarkeit eines Vertrags zu befassen. Die Arbeit gibt Hinweise darauf, welche Aspekte geregelt werden sollten und in welchen Bereichen Probleme entstehen könnten. Da aber insbesondere die Vertragsübertragung durch Rechtsgeschäft stark vom Einzelfall abhängig ist, können solche Überlegungen stets nur als allgemeine Leitlinie dienen.

 

Christoph Bauer, Parteiwechsel im Vertrag: Vertragsübertragung und Vertragsübergang (Diss. St. Gallen 2011, Zürich 2010 = Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht, Band 294)