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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Loacker

Haftpflichtrecht: Kein Anspruch auf Trauerschmerzengeld nach Tod von Haustieren

Hintergrund
Der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) hat sich in seinem Entscheid vom 27. November 2020 mit der Frage befasst, ob bei Verlust eines Haustieres ein Anspruch auf Trauerschmerzengeld bestehen kann. 

Dem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein als Haustier gehaltener Hund im Rahmen eines Verkehrsunfalls dahinschied. Die Kläger und Halter des Hundes machten in der Folge einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld gegen den Verursacher des Unfalls bzw. seinen Haftpflichtversicherer geltend. Diesen – vom OGH eigentlich im Zusammenhang mit dem Tod naher Angehöriger entwickelten – Anspruch stützten sie auf die besondere Rolle, die der Hund in der Familie einnahm. So hätten sie das Tier „wie ein Kind gepflegt, ihn täglich angezogen, alle „besonderen Ereignisse“ mit ihm gefeiert, ihm „spezielle Hundehotels, Hundesalons und Hundemoden sowie auch veganes Hundefutter und sogar Hundewellness“ zuteil werden lassen“. Vor dem Erst- sowie dem Berufungsgericht unterlagen die Kläger jeweils, woraufhin sie beim OGH Revision einreichten. 

Der OGH hat in einem Entscheid vom 16.05.2021 erstmals einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld bejaht, indem er eine Gesetzeslücke im Wege einer Analogie schloss. Es sei – insbesondere auch im intereuropäischen Vergleich – unbefriedigend, einen Anspruch auf Schmerzengeld beim Tod naher Angehöriger deshalb zu verneinen, weil dem Trauerzustand kein Krankheitswert zukomme. Ausserdem vermittle § 1331 ABGB unter gewissen Voraussetzungen sogar bei beschädigten Sachen einen Anspruch auf Ersatz ideeller Schäden. Im Sinne eines Arguments a fortiori könne es also nicht angehen, einen solchen beim Tod naher Angehöriger prinzipiell auszuschliessen. 

Den kritischen Stimmen in der Lehre, wonach der Umfang und das Bestehen eines Gefühlsschadens überhaupt aufgrund fehlender Beeinträchtigung der Gesundheit nicht bzw. nur schwer feststellen lasse, begegnete der OGH mit einer bewusst engen Grenzziehung der anspruchsberechtigten Personen. Es soll auf diesem Weg einer Ausuferung der Ansprüche vorgebeugt werden. Auf jeden Fall anspruchsberechtigt seien Ehegatten, Lebensgefährten und Kinder, bei welchen eine intensive Gefühlsgemeinschaft regelmässig vorliege. Bei Geschwistern müsse dahingegen ein – vom Kläger zu beweisendes – weiteres Element (etwa ein gemeinsam geführter Haushalt) dazukommen. 

Sodann sei die Leistung von Trauerschmerzengeld vom Ersatz sogenannter Schockschäden abzugrenzen. Bei einem Schockschaden ist § 1325 ABGB erfüllt, da hier die Gesundheit des Geschädigten betroffen ist. Direkt geschädigt oder gar getötet wird in solchen Konstellationen ein Dritter, etwa ein Angehöriger des Schockgeschädigten. Bei letzterem tritt dann als Reflex auf die Mitteilung oder das Miterleben der Schädigung des Angehörigen eine Beeinträchtigung der Gesundheit ein.
 
Der OGH hielt weiter fest, dass in Bezug auf Haustiere die Frage nach Trauerschmerzengeld noch nicht höchstrichterlich geklärt worden sei. Ein Anspruch auf Ersatz von Schockschäden sei im Zusammenhang mit Haustieren jedoch bereits zwei Mal verneint worden. Auch die Lehre behandle im Zusammenhang mit Haustieren regelmässig nur Schockschäden. Dabei überwiege die Auffassung, dass der Verlust eines Haustieres keinen Anspruch auf Ersatz ideeller Schäden begründe. Der OGH präzisierte allerdings, dass es – anders als bei der Beschädigung oder Zerstörung sonstiger Vermögenswerte – nicht ausserhalb jeder Lebenserfahrung liege, dass ein Tierhalter durch die Tötung seines Haustiers psychisch beeinträchtigt wird. Mithin scheitere ein Ersatzanspruch für Schockschäden also nicht am Erfordernis der Adäquanz, sondern am Erfordernis des Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Weiter nimmt der OGH Bezug auf zwei Autoren, welche die Möglichkeit eines Anspruchs jeweils mit Hinweis auf den in § 1332a ABGB zum Ausdruck gebrachten Wertewandel bezüglich des Stellenwerts von Haustieren bejahen. 

Nach Auffassung des OGH kann die blosse Trauer um ein Haustier von vornherein keinen Schmerzengeldanspruch begründen. Er stützt sich dabei massgeblich auf den bereits erwähnten § 1331 ABGB, wonach die Beschädigung einer Sache nur dann einen Anspruch auf den „Werth der besonderen Vorliebe“, wenn sie „vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbothenen Handlung oder aus Muthwillen und Schadenfreude“ erfolgte. Gemäss § 285a ABGB seien Tiere zwar keine Sachen, die für Sachen geltenden Bestimmungen seien aber weiterhin auf sie anzuwenden, sofern keine abweichenden Regelungen bestehen. In § 1332a ABGB, der einen Ersatzanspruch für die tatsächlich aufgewendeten Heilkosten eines Tiers begründet, erblickt der OGH zwar eine solche abweichende Regelung. Im Übrigen seien für Grund und Höhe des Schadenersatzanspruchs bei Verletzung oder Tötung eines Tieres aber weiterhin die Regelungen des ABGB über die Sachbeschädigung einschlägig. Er beruft sich hierbei auf den Ausschussbericht zu § 1332a ABGB, in welchem ausdrücklich festgehalten werde, dass „neben der neuen Regelung auch § 1331 ABGB anwendbar bleibt, dass also unter den dort angeführten subjektiven Voraussetzungen auch der Wert der besonderen Vorliebe zu ersetzen ist.“. Der OGH schliesst daraus auf den gesetzgeberischen Willen, ideelle Schäden aufgrund des Verlusts eines Tieres ausschliesslich bei Vorsatz ersetzt sehen zu wollen. 

Aus diesem Grund könne die im Zusammenhang mit dem Verlust naher Angehöriger entwickelte Analogie des Trauerschmerzengelds nicht auf den Verlust von Haustieren übertragen werden, fehle es doch aufgrund des abgeleiteten gesetzgeberischen Willens an einer planwidrigen und somit füllungsbedürftigen Lücke. Ausserdem – so der OGH weiter – sei die Trauer beim Verlust eines Haustieres nicht von einer solchen Intensität, dass sich eine Aufnahme von Tierhaltern in den Kreis der anspruchsberechtigten Personen rechtfertige. Der OGH kommt also zum Schluss, dass Trauerschmerzengeld beim Verlust von Haustieren nur dann infrage komme, wenn die Voraussetzungen von § 1331 ABGB erfüllt seien. Als Beispiel nennt er etwa, dass durch die Tötung des Tiers gleichzeitig der strafrechtliche Tatbestand von § 222 StGB – also eine strafrechtlich verbotene Handlung i.S.v. § 1331 ABGB – erfüllt wird. Folgerichtig könne nur eine Gesetzesrevision einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld bei Verlust von Tieren begründen. 

Schliesslich sei es laut OGH auch wertungswidersprüchlich, bei Verlust eines Tieres einen Anspruch auf Ersatz des Schockschadens (wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs) zu verneinen, einen solchen auf Trauerschmerzengeld hingegen zu bejahen. 


Fazit
Der OGH erkennt in den §§ 285a und 1332a ABGB einen Wertewandel bezüglich des Stellenwerts von Tieren. Dieser gehe nach nachvollziehbarer Auslegung des gesetzgeberischen Willens allerdings nicht so weit, dass ein Anspruch von Trauerschmerzengeld ohne die strengeren Voraussetzungen des § 1331 ABGB bestünde. Der OGH verneint also einen möglichen Anspruch gestützt auf den Ausschussbericht ebenjener Bestimmung, die von einigen Stimmen in der Lehre für eine Erweiterung der Rechtsprechung zum Trauerschmerzengeld auch auf Tierhalter ins Feld geführt wird. Einzig der vom OGH angeführte Wertungswiderspruch überzeugt nicht vollends. So ist es, unter den Voraussetzungen von § 1331 ABGB, gerade bei Sachbeschädigungen möglich, einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld gemessen am „Werth der besonderen Vorliebe“ zuzusprechen, wohingegen ein Schockschaden mangels Adäquanz und bei Tieren mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht infrage kommt. Der vermeintliche Widerspruch steht also in Einklang mit der gesetzlichen Ordnung.  
 

Yves Loher

Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

 

 

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(c) by Markus Winkler

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