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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Babusiaux

HS 22 «Gräber, Götter und Gelehrte im antiken Rom - Grabschutz zwischen inschriftlicher Praxis, religiöser Vorstellung und römischer Jurisprudenz»

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Prof. Dr. Ulrike Babusiaux (Zürich)

Prof. Dr. Michael A. Speidel (Bern/Zürich)

Inhalt

Nach einer Vorgabe des römischen Zwölftafelgesetzes (ca. 450 v. Chr.) mussten Tote ausserhalb der Stadt begraben werden. Die sog. Gräberstrassen aus römischer Zeit, d.h. die meist an den Ausfallstrassen einer Stadt aufgestellten Grabmonumente, sind bis heute an vielen Orten noch sichtbar. Die zahlreichen aus der römischen Antike überlieferten Grabinschriften weisen dabei nicht nur auf die Weihung des Grabes an die Götter der Unterwelt hin, sondern legen auch Zeugnis davon ab, wie der Grabstifter versuchte, das Grab zu schützen. Die Gefahren, gegen die ein Grab des Schutzes bedurfte, waren vielfältig, wie sich sowohl aus den Inschriften selbst als auch aus den in den Digesten gesammelten Juristenschriften erkennen lässt: Man befürchtete, dass der Leichnam ausgegraben, das Grabmal für andere Verstorbene oder gar für sonstige Bauwerke wiederverwendet werde oder aber, dass Bedürftige das Grabmal als Bewohnung benutzten. Aber auch vor Übergriffen des Erben musste das Grab aus Perspektive des Grabstifters geschützt werden: Nicht jeder Erbe durfte sich auf dem Grabmal mitverewigen; bestimmte Personengruppen oder dem Erblasser unliebsame Personen wurden explizit ausgeschlossen, andere Personen hingegen explizit zur Weiternutzung oder auch zur Weitergabe des Grabes an einen Dritten aufgefordert. Für den Fall der Nichteinhaltung konnte der Grabstifter Strafen androhen, wobei häufig die Zahlung an bestimmte Priesterkollegien oder religiöse Stiftungen bezeugt ist, die man als „Multen“ bezeichnet. Bisweilen finden sich auch Verfluchungen und nicht der Rechtssphäre angehörende Warnungen und Drohungen gegenüber dem Grabfrevler, dem Dieb oder demjenigen, der die Grabstätte für seine eigenen Zwecke verwende.

Der Vergleich von Inschriftenpraxis und juristischer Literatur lässt dabei einige Ungereimtheiten zu Tage treten: Eigentlich ist das Grab als res religiosa dem Privatrechtsverkehr entzogen; wie kann es also sein, dass jemand das Grab veräussert oder sich mit dem Monument ein Haus baut, ohne hierfür schon von öffentlicher Seite eine Strafe zu erhalten? Mit welcher Klage konnten die verschiedenen Multen prozessual durchgesetzt werden? Waren sie überhaupt als rechtlich durchsetzbare Sanktionen gedacht oder verfolgten sie eher einen symbolischen Zweck? Wie ist schliesslich das Verhältnis von Sakralrecht und weltlichem Recht insgesamt zu beurteilen: Waren alle bei den römischen Juristen überlieferten Vorgaben zum Grabschutz auch religiös motiviert?

Ziele

Das Seminar soll diesen und anderen Fragen durch die vergleichende exegetische Analyse von Grabinschriften und Texten aus der justinianischen Kompilation nachgehen. Damit soll nicht nur ein Rätsel der juristischen Epigraphik einer weitergehenden Lösung zugeführt werden; vielmehr sollen auch Grundfragen der Wirkung und Wirksamkeit privater Anordnungen im Spannungsverhältnis von Recht und Religion untersucht werden; letztlich geht es damit um die Frage nach dem Rechtsbegriff im Verhältnis zu anderen Begriffen wie Sitte, Moral und religiöser Überzeugung.

Anforderungen

Das Seminar steht Bachelor- und Masterstudierenden aus der Rechtswissenschaft offen. Lateinkenntnisse sind nicht erforderlich; die Studierenden erhalten Unterstützung bei der Übersetzung der Quellen, Suche nach der Literatur und Vorbereitung der schriftlichen Arbeit. Es wird die Bereitschaft erwartet, sich analytisch mit Texten auseinanderzusetzen und in einem interdisziplinären Kontext ein Gespräch über den Text zu führen. Kenntnisse moderner Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) sind von Vorteil.

Seminarleistung

Die Seminarleitung besteht aus der regelmässigen aktiven Teilnahme an den Seminarsitzungen, dem eigenen Seminarvortrag sowie der Erstellung einer schriftlichen Seminararbeit (Bachelor- bzw. Masterarbeit). Bei der Vorbereitung erhalten die Studierenden Unterstützung von philologischer und rechtswissenschaftlicher Seite.

Termine

Das Seminar findet im HS 2022 regelmässig Montags 14-16 Uhr statt.

Themenliste (Stand 28.2.2022)

  1. Das Grab als res religiosa I: Sakralrechtliche Voraussetzungen und Konsequenzen (Bachelor)
  2. Das Grab als res religiosa II: Die Sicht des weltlichen Rechts (Bachelor)
  3. Die Fortbenutzung von Gräbern und Grabsteinen I: Die Planung des Grabstifters (Master)
  4. Die Fortbenutzung von Gräbern und Grabsteinen II: Belege aus der Praxis (Bachelor)
  5. Schutz des Grabes vor Frevel I: Die Klage wegen Grabverletzung (actio sepulchri violati) (Bachelor)
  6. Schutz des Grabes vor Frevel II: Verfluchungsformeln zum Schutz gegen Grabfrevel (Bachelor)
  7. Grabfrevel im Kaiserrecht (Master)
  8. Grabmulten I: Strafandrohungen in Rom und Italien (Bachelor)
  9. Grabmulten II: Strafandrohungen in bestimmten Provinzen und Städten (Bachelor)
  10. „Diesem Grab soll Arglist fern sein“ (dolus malus abesto) auf Grabinschriften (Master)

Weitere Themen können nach Rücksprache mit den Veranstaltern vergeben werden!

 

Haben Sie Fragen zum Seminar?

Wenden Sie sich bitte an: ulrike.babusiaux@uzh.ch.

Weiterführende Informationen

Termin und Raum

Jeweils montags von 14:00-16:00 im KOL-H-320.

Podcast Vorbesprechung Seminar

Der podcast der Vorbesprechung vom 5. Juli 2022 ist nun verfügbar.

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