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Rechtswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl Loacker

Wettbewerbsrecht: Nationalrat beschliesst indirekten Gegenvorschlag zur Fair-Preis-Initiative

Hintergrund
In der Debatte vom 9. März 2020 hat der Nationalrat die Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise» mit 102 zu 58 Stimmen bei 27 Enthaltungen abgelehnt. Beschlossen wurde mit bloss 27 Neinstimmen ein indirekter Gegenvorschlag, der die Anliegen der Initiative vollständig aufgreift.

Beraten wurde der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates bis im November 2019 zuerst von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N). Einen von unserem Lehrstuhl verfassten Überblick dazu finden Sie hier. Der Nationalrat hat sich zu den Anträgen der WAK-N nun wie folgt ausgesprochen:

  • Eine Mehrheit des Nationalrates von 159 Stimmen befürwortet die Erweiterung des Schutzbereichs auf Anbieter, die von relativ marktmächtigen Nachfragern abhängig sind (Art. 4 Abs. 2bis KG) – bloss eine kleine Minderheit hält somit am Entwurf des Bundesrates fest.
  • Dem Antrag der WAK-N für den Art. 7 Abs. 1 KG folgt der Nationalrat ebenfalls: Die Regelung für relativ marktmächtige Unternehmen soll sich nicht von jener für marktbeherrschende Unternehmen unterscheiden. Der vom Bundesrat entworfene Art. 7a KG zu unzulässigen Verhaltensweisen relativ marktmächtiger Unternehmen soll folglich ersatzlos gestrichen werden. Die Sanktionen nach Art. 49a KG sollen gemäss der Abstimmung im Nationalrat ganz im Sinne des Antrages der WAK-N nur für marktbeherrschende Unternehmen zur Anwendung gelangen – nicht hingegen für relativ marktmächtige Unternehmen.
  • Mehrheitlich befürwortet wird im Nationalrat auch die von der WAK-N vorgeschlagene «Reimportklausel» in Art. 7 Abs. 2 lit. g KG.
  • Eine Mehrheit von 114 zu 60 Stimmen bei 11 Enthaltungen spricht sich im Nationalrat neu für folgende Ergänzung in Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG aus: «Unlauter handelt insbesondere, wer beim Online-Vertrieb von Waren oder Leistungen Nachfragerinnen und Nachfrager aus der Schweiz, vorbehältlich sachlicher Rechtfertigung, nicht zu öffentlich bekanntgegebenen und im Ausland praktizierten Preisen bedient.»

Wohl als Hauptargument für die Unterstützung der mit der Volksinitiative geforderten Punkte wurde – sowohl von der SVP also auch von der Mitte und bei den linken Parteien – angebracht, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb gleiche Produkte in der Schweiz teurer verkauft würden als im Ausland.

Stellungnahme des Lehrstuhls
Unser Lehrstuhl hat sich bereits in der Stellungnahme vom 20. November 2018 (PDF, 170 KB), die gleichzeitig im Namen der Professoren Nobel, Schwander und Kley erging und von einer Reihe weiterer renommierter RechtsprofessorInnen aus der ganzen Schweiz unterstützt wird, zum indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates geäussert. Nachdem keiner unserer Anträge vom Bundesrat berücksichtigt wurde, nahm die WAK-N in ihren Beratungen einige der Anliegen auf. Der Nationalrat hat diese positive Entwicklung hin zur Übernahme der Forderungen der Initianten der Fair-Preis-Initiative weitergeführt und sich insbesondere für die von der WAK-N wiedereingeführte «Reimportklausel» ausgesprochen. Zu Recht hat der Nationalrat nun ausserdem das Geoblocking für Online-Handel neu im Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG in den indirekten Gegenvorschlag aufgenommen. Eine solche Bestimmung kann – entgegen der Ansicht des Bundesrates – durchaus einseitig eingeführt werden und faktisch die erwünschten Wirkungen erzeugen, da sich grosse Unternehmen schon aus Gründen der Compliance an neues schweizerisches Recht halten werden.

Kurzum: Mit dem vorliegenden indirekten Gegenvorschlag wird der Stossrichtung der Initiative vollumfänglich Rechnung getragen. Besonders erfreulich ist auch die Annahme des geänderten Gegenvorschlags und die Ablehnung der Initiative mit einer eindeutigen Stimmenmehrheit – die Abstimmung in der WAK-N war noch nicht von einem solch klaren Ergebnis gekennzeichnet.